Altenpflege ein Beruf mit hoher Dynamik - Pflegekräfte werben für besseres Image
Elchingen /Augsburg, 03.03.2019 (pca). Simone Frey liebt ihren Beruf. Er macht ihr Spaß, auch wenn er nicht immer einfach ist. Sie sagt selber von sich, dass sie gerne und viel lache. Das scheint auch die alte Dame etwas von ihren Sorgen und Ängsten zu befreien, die als erste auf ihrem Tourenplan steht. "Man muss mit den Menschen umgehen können", meint sie nur dazu. Aber das ist es nicht allein, weshalb ihr Beruf als Pflegehilfskraft so gut gefällt. "Ich bin nicht nur als Mensch angefragt, sondern auch mein Wissen und Können." Frey arbeitet bei der Ökumenischen Sozialstation Elchingen e.V. schon seit neun Jahren. "Bereut? Eigentlich nie", sagt sie.
Niemand will Altenpflegekräfte vermissen. Jeder in der Gesellschaft weiß, wie wichtig sie sind. Auch die Politik will sich für die Stärkung dieses Berufes einsetzen. Dennoch hat der Beruf kein gutes Image. "Die machen ja nur Körperpflege bei alten Menschen und geben ihnen was zu essen", heißt es unter Schülern. Verwunderung zeigt sich stets, wenn ein Klassenkamerad oder eine Mitschülerin sich für den Ausbildungsberuf Altenpflegefachkraft oder Altenpfleger/in entscheidet. "Dann noch dieser Stress und Papierkram, das hält ja kein Mensch länger aus!" Selbst Pflegekritiker, die sich für eine bessere Pflege und bessere Arbeitssituationen aussprechen, greifen dieses negative Image auf, um Druck auf die Politik und den Gesetzgeber zu erhöhen, die Arbeitssituation für die Pflegekräfte zu verbessern.
"Dieser Schuss geht aber nach hinten los", sagt Bianca Lange, zuständige Referentin für die ambulante Pflege beim Caritasverband für die Diözese Augsburg e. V. Lange ist davon überzeugt, dass ein
negatives Image zwangsläufig dazu führt, dass speziell junge Menschen nicht mehr bereit sind sich mit dem vielschichtigen und anspruchsvollen Berufsbild Pflege auseinander setzen zu wollen. "Vorurteile prägen leider das menschliche Handeln - so auch in diesem Fall." Yujin Li, Geschäftsführender Vorstand der Ökumenischen Sozialstation Elchingen e.V. und Einrichtungsleiterin des Seniorenzentrums Haus Tobit in Elchingen, bekommt wie andere Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer von Sozialstationen bzw. EinrichtungsleiterInnen von Seniorenheimen die Folgen des negativen Images zu spüren. "Es ist verdammt schwer geworden, Personal zu finden." Sozialstationen im Bistum können keine Klienten mehr annehmen, weil Personal fehlt. Jedes fünfte Seniorenzentrum im Bistum Augsburg, das zur Caritas-Familie gehört, steht vor den gleichen Schwierigkeiten.
Diese positive Haltung gegenüber dem Pflegeberuf, wie sie Frey zeigt, teilen ihre Kolleginnen und Kollegen. "Dabei ist es selbstverständlich, dass manche über die Arbeitszeiten schimpfen, die Wochenend- und Feiertagsdienste. Aber auch in anderen Berufen hat man nicht eine durchgängig geregelte Arbeitszeit", meint Li. "Man sollte überzeugt sein um diesen Beruf auszuüben. Der Altenpflegeberuf ist allerdings auf keinen Fall ein schlechter Beruf", sagt sie. Dem Klang ihrer Worte entnimmt man, dass sie des ewigen Schlechtredens dieses Berufes leid ist. 70 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeiten in der Sozialstation und dem Seniorenzentrum für alte Menschen. Etwas 30 davon sind schon länger als 10 Jahre, 15 oder 20 Jahre dabei. "Dahinter steckt sicherlich jede Menge Überzeugung", betont Li.
Die stellvertretende Pflegedienstleitung Angela Wanner selbst ist ein gutes Beispiel dafür. Seit 32 Jahren ist sie inzwischen in der Pflege beruflich tätig. Seit 16 Jahren arbeitet sie für die Sozialstation Elchingen. Der Grund? "Ich mag diese Dynamik in dem Beruf. Kein Tag ist wie der andere." Die Pflege sei auch so breit gefächert.
Nicht nur soziale Kompetenz im Umgang mit alten Menschen ist gefordert. Man muss wissen, wie sich der älter werdende Körper verändert, um dies wahrnehmen zu können. Ein reiches pflegerisches Fachwissen ist nötig, um richtig eigenverantwortlich handeln zu können. Elena Haas, die Pflegedienstleitung, unterstreicht, wie wichtig vielfältiges Wissen und Können in dem Pflegeberuf ist. "Körperpflege ist mehr als nur die Körperpflege. Es geht um z.B. Prophylaxe bei der Zahnhygiene." Eine Pflegekraft müsse auch ein sehr waches Auge dafür haben, wie gut der alte Mensch noch auf den Beinen ist und was getan werden muss, um jeglichen Sturz so gut wie möglich vermeiden zu können. Medizinisches Wissen ist unerlässlich, um Spritzen verabreichen oder eine Wunde versorgen und einschätzen zu können. Bewegungstherapeutische Grundkenntnisse sind ebenfalls gefordert.
Da immer mehr alte Menschen auch auf dem Land keine Familienangehörigen vor Ort haben, müssen Pflegekräfte zuweilen auch Kümmerer für ein soziales Netzwerk sein. Tritt ein Notfall ein, ein alter Mensch ist zum Beispiel zuhause zusammengebrochen, ist die Pflegekraft als Notfallmanagerin gefordert. Sie muss Polizei, Krankenwagen und Feuerwehr alarmieren und vor Ort die ersten Notfallmaßnahmen einleiten können. Für die Hausärzte ist die Pflegekraft heute mehr als früher eine wichtige Ansprechpartnerin, um gesundheitliche Einschätzungen abzuklären und Maßnahmen einzuleiten bzw. abzustimmen.
"In dem Beruf ist der Mensch mit allen seinen Talenten gefordert", unterstreicht Haas. Denn nur so könne auch der Patient "ganz wahrgenommen" werden. "Ich muss sehen können, ob sich Kontrakturen der Gliedmaßen abzeichnen und ich muss das richtig beurteilen können." Wer Kontrakturen habe, habe auch Schmerzen und sei deshalb eher sturzgefährdet. Wie sieht es mit der Ernährung oder der Flüssigkeitsaufnahme aus? Die Pflegekraft müsse das aber nicht nur erkennen, sondern im Team mit den Pflegedienstleitungen, den Kolleginnen und Kollegen wie auch dem Patienten darüber sprechen.
"Empathie spielt hierbei eine ganz wichtige Rolle", unterstreicht die Pflegedienstleitung Haas. Auch Simone Frey sagt das. Sie begleitet Praktikanten und Auszubildende. "Wenn das fehlt, dann kann ich den Beruf nicht ausüben." Beide warnen aber davor, anfängliche Unsicherheit zu überbewerten. "Wir müssen die jungen Menschen behutsam heranführen", so Haas. Wenn dann durch Wissen das Urteilsvermögen wächst, man lernt, Eigenverantwortung zu übernehmen, dann entwickle sich eine sehr positive, interessante und abwechslungsreiche medizinisch-pflegerische Dynamik, "die man in kaum einem anderen Beruf tagtäglich so erleben kann wie bei uns". "Langweilig wird es jedenfalls bei uns nie", meint Yujin Li, Geschäftsführender Vorstand der Ökumenischen Sozialstation Elchingen e.V. und Einrichtungsleiterin des Seniorenzentrums Haus Tobit in Elchingen.