Caritas-Team vom Drogenkontaktladen Talk Inn in Kempten werben für Aufmerksamkeit für "Drogengebraucher"
Kempten, 19.07.2025 (pca). Wenn sie sterben, spricht man nicht öffentlich darüber. Außer man stellt die Jahreszahlen vor. Der Tod von Drogengebrauchern, so ihre offizielle Bezeichnung, verlässt nur noch selten die Hülle des Verschweigens. Der Student der Sozialen Arbeit in Kempten Amon Schweizer bedauert das. "Sie sind nur arme Seele, letztlich wie jede andere Person auch", sagt er. Schweizer hatte vor fast zwei Jahren sein Praktikum beim Talk Inn, dem "Drogenkontaktladen" der Caritas in Kempten gemacht. Als das Caritas-Team von Talk Inn am Samstag weiße Rosen an Passanten in der Kemptener Fußgängerzone beim Forum Allgäu verteilte und damit auf den Internationalen Gedenktag für verstorbene Drogengebraucher aufmerksam machte, war es für ihn eine Selbstverständlichkeit, das Gespräch zu suchen.
Die Zahl der drogenabhängigen suchtkranken Personen, die in 2024 in Kempten und Umgebung gestorben sind, liegt offiziell wie jedes Jahr davor auch bei einer niedrigen einstelligen Zahl. Caren Arendt und Gerhard Zeck, die auf viele Jahre der niederschwelligen Begleitung und Beratung von Drogengebrauchern in Kempten zurückblicken, wissen warum diese Zahl so niedrig ist. Sie erheben dabei keinen Vorwurf. "Nur die Verstorbenen, die obduziert wurden und bei denen man eine Drogenmissbrauch feststellt, fließt in die offizielle Statistik ein." Auch jene Personen, die an ihren chronischen Erkrankungen sterben, werden nicht als "Drogentote" gezählt, obwohl ihre Erkrankungen Folgen ihres anhaltenden Drogenmissbrauchs sind. "Und dann gibt es die Menschen, die einfach nie auffallen, weil sie niemals das Hilfesystem in Anspruch nahmen." Bundesweit wurden in 2024 2.137 verstorbene Drogengebraucher gezählt.
Der Internationale Gedenktag - der offizielle Termin ist der 21. Juli jeden Jahres - war für das Caritas-Team von Talk Inn eine gute Gelegenheit, immer wieder mit Passantinnen und Passanten ins Gespräch zu kommen. Sie hatten sich mit ihrem Beratungsmobil in die Fußgängerzone gestellt und umfängliches Informationsmaterial mitgebracht. Auch Schülerinnen und Schüler kamen vorbei. "wir brauchen den Kontakt zu ihnen, denn auch sie kennen jemanden, der jemanden kennt, der gefährdet sein kann", so Diana Schön von Talk Inn.
Für Katrin Schulz, Projektverantwortliche der Caritas zur Stärkung der Suchthilfe in Kempten und im Allgäu, ist diese Aufklärungsarbeit ein Herzensanliegen. Sie wirbt für einen anderen Umgang mit drogenabhängigen Menschen. Sie bedauert, dass Drogenabhängige schnell als willensschwach und auch mit einem "selber schuld" abgetan würden. "Die Menschen sehen immer nur das Ergebnis des Drogenkonsums. Die Geschichte davor und wie es zur Drogenabhängigkeit kam, nicht." Doch, wer sie kennenlernt, weiß, dass sie alle sehr viel erlebt haben, "auf viele negative Erfahrungen zurückblicken müssen." Der Griff zur Droge erfolgte, weil sie sich damit besser fühlten. So lerne der Körper, dass er sich bei Konsum gut anfühle. "Ihr Drogenkonsum wurde ihre Überlebensstrategie in einem Leben, das es oft genug nicht gut mit ihnen meinte."
Schulz wie ihre Kolleginnen und Kollegen, Caren Arendt, Diana Schön, Isabell Guegan und Gerhard Zech erleben in den Drogengebrauchern immer wieder "total sympathische Menschen mit einer verlorenen Seele". "Man versteht sie allerdings falsch", beklagt Schulz. Wie man ihnen am besten gegenübertritt, da hat Schulz eine klare Meinung. "Wir müssen es aus den Köpfen der Menschen herausbringen, dass es an einer Willensschwäche der Betroffenen liegt. Sie sind krank. Sie können nichts dafür. Sie greifen zu Drogen aus der Not heraus."
Das macht es verständlich, wenn Barbara Habermann, die die soziale Arbeit des Augsburger Diözesan-Caritasverbandes als Bereichsleitung und als Leitung Sucht und Psychiatrie verantwortet, darauf hinweist, "dass der Konsum von legalen und illegalen Drogen ein gesamtgesellschaftliches Thema ist und uns alle angeht. Abhängigkeitserkrankungen finden wir nicht am Rande der Gesellschaft, sondern mitten unter uns." Für Habermann ist der Internationale Gedenktag ein sehr guter Anlass, "unser aller Bewusstsein zu stärken und uns Mut zu geben, das Gespräch zu suchen, auch als Nichtbetroffene mit Betroffenen."