Projekt des Drogenkontaktladens der Caritas durchbricht Trostlosigkeit
Kempten, 16.10.2019 (pca). Es ist Dienstagvormittag um 9.45 Uhr. Maria Schmelz und Gerhard Zech laden ihr Auto vor einem Wohnblock in Kempten aus. Sie haben Kannen mit Kaffee, Kakao, Zucker, Milch, Kekse und Schokoladenriegel sowie Tassen dabei. Zech geht dann in den Abstellraum für die Müllcontainer. Im hinteren Eck versteckt steht eine Biertischgarnitur. Draußen auf dem geschotterten Platz stellt er sie auf. Und schon stellt Schmelz all das Mitgebrachte auf dem Tisch auf. Es dauert nicht lange, da schaut ein Paar aus dem Fenster und kommt kurz danach heraus. "Hallo. Das ist aber schön, dass ihr wieder da seid", sagt die schmale Frau zu Schmelz und Zech. Sie kennen sich schon seit langem. Schmelz und Zech arbeiten im
Drogenkontaktladen Talk Inn der Caritas in Kempten. Die Frau ist seit vielen Jahren dort in der Anlaufstelle für KonsumentInnen illegaler Drogen und deren Angehörige bekannt.
Seit zwei Monaten machen sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter jeden Dienstag auf zu diesem Wohnblock der städtischen Wohnbaugesellschaft. Dort wohnen Frauen und Männer, die aus den verschiedensten Gründen ganz unten in der Gesellschaft angekommen sind. Die Geschichten, die die Bewohnerinnen und Bewohner dort erzählen können, gehen weit über das Thema Drogen hinaus. Arbeitslosigkeit, Überschuldung, Gefängnisaufenthalte, auch wegen Drogendelikten, Alkoholerkrankung, psychische Erkrankungen. Und wäre nicht schon jeder Grund für sich allein genug, so findet man bei dem Einen oder Anderen eine Mehrfachbelastung.
Die Frauen und Männer, die aus ihrer Wohnung herauskommen und sich mit an den Tisch setzen, freuen sich über diesen Besuch. "Ich komme gerne. Das reißt mich raus aus meiner Trostlosigkeit", sagt ein jüngerer Mann. Ein älterer Mitbewohner mit ergrautem langem Bart wirkt abgeklärt. Er scheint nicht mehr viel vom Leben zu erwarten. Aber er freut sich über diese wöchentliche Einladung. "Das ist eine besondere Wertschätzung für mich, für uns alle", betont er und legt Wert darauf, dass seine Worte so auch zitiert werden. Das Angebot kommt bei ihnen so gut an, dass sie ihm selbst einen Namen gegeben haben: "Kaffee & Keks". Das haben sie dann auch auf die Unterseite des Tisches geschrieben.
Bei "Kaffee & Keks" wird geplaudert, erzählt, was einem in der vorausgegangenen Woche passiert ist. Was der Betreuer von einem will, warum man beim Arzt war, was das Jobcenter fordert und was es Neues auch von Mitbewohnern gibt. Ein Nachbar wurde von allen schon seit einer Woche nicht mehr gesehen. "Für einen Außenstehenden mag sich das nicht sonderlich interessant anhören, aber es ist dieser Austausch untereinander, der den Zusammenhalt stärkt und erhält", sagt Schmelz dazu. Für sie und ihren Kollegen Zech ergibt sich da immer wieder die Gelegenheit, ihr Fachwissen einzubringen und ein wenig zu beraten. "Und es ist eine Chance für uns, sie auf unser Angebot im Drogenkontaktladen Talk Inn hinzuweisen", ergänzt Zech.
Es sind nur ein Biertisch und zwei Bänke, die im Freien aufgestellt werden. Das Talk Inn bietet weit mehr an Gemütlichkeit und Wärme. Doch mit diesem so niedrigschwelligen Angebot vor dem Wohnblock kann man die Menschen vor Ort viel leichter erreichen - auch jene Menschen, die aus den verschiedensten Gründen den Weg in eine soziale Einrichtung nicht mehr schaffen. "Hier kann man sich einfach ganz unverbindlich dazu gesellen", erklärt Schmelz den Vorteil dieses Angebotes. "Ich habe Small Talk gehört. Da sagte ich mir, da schaust Du mal runter", sagt der ältere Mann mit dem Bart. Mal was anderes hören, mal aus der dem Zimmer herauszukommen, das ist es, warum 10 Frauen und Männer sich mit an den Tisch setzen. Ein Stück Leben, nicht viel, aber doch sehr viel für diese Bewohnerinnen und Bewohner der Notunterkunft, bei denen aus welchen Gründen auch immer im Leben so manches nicht rund gelaufen ist.