Caritas lud Hospizgruppen zum Fortbildungstag ein - Buchautorin von Scheurl-Defersdorf empfiehlt: "Fasten Sie bei den Wörtern müssen und nicht"
Augsburg, 11.05.2025 (pca). Wer einen sterbenskranken Menschen an seinem Lebensende bis zu dessen Tod in der Hospizarbeit begleitet, weiß wie wichtig die Sprache ist. Gelingt es, Vertrauen zu schaffen? Fühlt sich die begleitete Person wahrgenommen und sicher? Tröstet die Sprache und tut sie dem Sterbenden, aber auch den Angehörigen gut? Kommunikation ist von zentraler Bedeutung für eine gelingende Begleitung. Der Caritasverband für die Diözese Augsburg hat deshalb am Samstag zu seinem Fortbildungstag für Hospizgruppen in der Caritas eingeladen und dabei die Frage "wie wir sprechen" zum Thema gemacht. 160 Hospizgebleiter*innen beschäftigten sich im Augsburger Tagungshaus St. Ulrich einen Tag lang damit, wie sie sprechen, wie ihre Sprache wirkt und wie sie besser sprechen können.
Die Sprache eine Wunderwaffe in der Hospizarbeit
"Jedes Wort wirkt - Die Kraft der Sprache in der Hospizarbeit" - unter diesem Thema rüttelte die Sprachwissenschaftlerin, Mitbegründerin des Sprachkonzeptes der "Lingva eterna" (ewigen Sprache) und Buchautorin Mechthild R. von Scheurl-Defersdorf die 160 Teilnehmenden des Fortbildungstages auf. Sie lud sie ein, ihre Sprache und damit ihr Sprechverhalten neu zu überdenken. "Die Sprache ist Ihre Wunderwaffe, Beziehungen zu schaffen und eine gute Qualität der Begegnung zu ermöglichen." Eine ihrer Empfehlungen ist: "Fasten Sie mit den Wörtern müssen und schnell."
Caritasdirektor: "Ihr Dienst macht Mut"
Diözesan-Caritasdirektor Diakon Markus Müller machte zuvor in seinem Grußwort deutlich, wie sehr Sprache auch das Verständnis vom Tod präge. Der Tod gleiche heute einem Versagen. Anstatt über das Offensichtliche zu sprechen, flüchte man sich in den kleinen Hoffnungsschimmer einer Therapie. Das zeige, wie wichtig eine gute und richtige Kommunikation ist. Den Hospizbegleiterinnen und -begleitern dankte er. "Ihre Bereitschaft, sich für Ihren Dienst immer wieder fortzubilden, zeigt, wie sehr Ihnen Ihr Dienst Ihnen am Herzen liegt. Dieses Zeichen Ihrer Caritasarbeit ist ein Zeichen, das Mut macht."
Grundprinzipien einer guten Kommunikation
Sprache scheint so selbstverständlich zu sein, dass man sich kaum Gedanken macht, wie man spricht und was man damit bewirkt. Das beklagte die Referentin von Scheurl-Defersdorf in ihrem Vortrag. Sie empfiehlt die Wörter "nicht", "müssen" oder "schnell" zu vermeiden. Gegenwart und Zukunft sollten das ausdrücken, ob etwas tatsächlich in der Gegenwart oder in der Zukunft geschieht. Vollständige kurze Sätze schaffen Klarheit. Kommunikation könne das Leben insgesamt wie auch in der besonderen Beziehungssituation einer Hospizbegleitung gelingen, wenn sie zudem die fünf Bausteine der "Lingva eterna" beachte. Diese seien die klare Aussprache der eigenen Absicht, die klare Ansprache der Person, die gemeint ist, die klare Darstellung der Rahmenbedingungen des Austausches, sowie die Eröffnung in einen Diskurs, der dann zu einem klaren Abschluss der Kommunikation führt.
Die "3-A-Regel" einer zielführenden Kommunikation
Die Sprachwissenschaftlerin empfiehlt beim Sprachen die "3-A-Regel" einzuhalten. Kinder beherrschten sie und setzen sie auch gezielt ein, wenn sie etwas wollen. Die drei "A" stehen für Ansprechen, Anschauen und Atmen um der nötigen Sprechpausen willen. Also: "Hallo, Frau Meier. (Kurze Sprech-pause) Ich bin wieder da. (Kurze Sprechpause) Ich möchte mit Ihnen etwas besprechen. (Kurze Sprechpause) Darf ich mich zu Ihnen setzen? (Kurze Sprechpause) Würden Sie für mich etwas zur Seite rutschen?" Wenn man so die andere Person anspreche, "schafft man einen Raum der Begegnung und erzeugt eine angenehme Atmosphäre."
"Nicht" kann ein falsches Bild erzeugen
"Vermeiden Sie auch das Wort ‚nicht‘!", empfahl von Scheurl-Defersdorf den Hospizbegleiter*innen. Denn: "Wann immer wir eine Negation verwenden, erzeugen wir ein falsches Bild." Sie nannte das Beispiel einer alten Frau, die nicht mehr gut schlucken konnte. Sehr oft höre man dann: "Passen Sie auf! Verschlucken Sie sich nicht wieder!" Das Erste, an was die Frau denke, sei nun die Gefahr des Verschluckens. Das ‚Nicht‘ verändere die Aussage in eine Aufforderung sich zu verschlucken. Nicht-Sätze würden aber allzu häufig in der Pflege und in der Hospizarbeit ausgesprochen. "Schade", wie sie meint. "Denn das fortwährende Nicht schafft nur eine depressive Stimmung."
Eine bejahende Sprache sei hilfreicher. Wie zum Beispiel: "Die Fischstückchen sind recht groß. Es ist leichter für sie, wenn sie kleiner wären. Wollen Sie sie kleiner schneiden oder darf ich das für Sie machen?" Diese Formulierung drücke Wertschätzung aus. Zudem bewahre sie der alten Frau die Möglichkeit der freien Entscheidung. Eine positive Nebenwirkung der bejahenden Sprache sei, "dass sich das Gespräch gleichzeitig öffnet und die Frau denkt nicht nur an das Essen", so die Referentin.
"Müssen" und "schnell" am besten vermeiden
Zwei Wörter, die Scheurl-Defersdorf am liebsten abschaffen würde, sind die Wörter "müssen" und "schnell". "Ich muss schnell das Fenster öffnen", "Ihre Lippen sind trocken, ich muss sie befeuchten" -bauen nur Druck auf und schaffen keine Beziehung auf Augenhöhe. Warum könne man nicht sagen "ich merke, dass die Luft hier im Raum verbraucht ist. Ich werde das Fenster öffnen, wenn Sie zu-stimmen." und "Ich sehe, dass Ihre Lippen trocken sind. Wollen Sie, dass ich sie mit etwas Flüssigkeit befeuchte?"
"Werfen Sie alles aus der Gegenwart raus, was die Gegenwart stört"
Sprache funktioniert nicht ohne Grammatik. Die Zeiten Gegenwart und Zukunft werden in der Alltagssprache allerdings vermischt und ungenau verwendet. Zum Beispiel: "Ich schaue heute noch vorbei." Diese grammatische Unklarheit bewirke nur, dass die angesprochene Person sogleich an das Wieder-kommen der sprechenden Person denkt. D.h. es löst die Person aus einen klaren und eindeutigen Zeitgefühl heraus. Ihr Gegenbeispiel lautete: "Frau Meier. Ich gehe jetzt. Heute Nachmittag werde ich um 5 Uhr wiederkommen." Die Jetzt-Zeit und die Zukunft würden dadurch genau voneinander im Bewusstsein der sterbenskranken begleiteten Person getrennt. Für Menschen an ihrem Lebensende bedeute diese Klarheit in der zeitlichen Zuordnung das Geschenk, in ihrem Jetzt der Zeit sein zu können. "Bleiben Sie in der Gegenwart, wenn Sie in der Gegenwart sind. Und werfen Sie alles aus der Gegen-wart raus, was die Gegenwart stört."
Eine klare, eindeutige, zuwendende positive und bejahende Sprache benötige auch kurze vollständige Sätze. "Gute Nacht!" sei zu wenig. "Ich wünsche Ihnen eine gute und gesegnete Nacht!" lasse die Be-ziehung und die gegenseitige Wertschätzung "in Ihrem Herzen" lebendig werden, sagte von Scheurl-Defersdorf zu den 160 Hospizbegleiterinnen in ihrem Vortrag.
Jetzt gilt: "Wir müssen das jetzt üben"
"Der Tag heute, insbesondere der Vortrag, hat uns deutlich gemacht, wie wir im Alltag und in der hospizlichen Begleitung sprechen", sagte Birgit Hofmeister, Leiterin des Ambulanten Hospizdienstes der Caritas in Dillingen, am Ende des Fortbildungstages. "Wir müssen anfangen, diese Sprachprinzipien zu üben. Auch indem wir uns gegenseitig korrigieren, wenn wir einmal wieder von schnell machen müssen sprechen oder ein unnötiges Nicht verwenden. Nur so können wir uns weiterentwickeln", sagte sie.