Ausstellungen in Günzburg laden ein, in das Leben von Menschen mit Lernschwierigkeiten einzutauchen
Günzburg, 31.10.2019 (pca). Erwachsene Menschen mit Behinderungen gehen in Deutschland von Montag bis Freitag zur Arbeit in ihre Werkstätten. Sie leben zuhause bei ihren Eltern, relativ eigenständig in Wohnungen oder auch in Wohnformen für Menschen mit Behinderungen. Man weiß, dass es Menschen mit Behinderungen gibt, doch ergeben sich im Alltag selten Begegnungen. Wie leben Menschen mit Behinderungen, wie gestalten sie ihr Leben, welche Ziele haben sie? Antwort darauf gibt nun eine Ausstellung der Caritas-Behindertenhilfe (CAB Caritas Augsburg Betriebsträger gGmbH - Behindertenhilfe) in Günzburg. sie ist an mehreren Standorten zu sehen. Im Landratsamt, bei der AOK, der Sparkasse, im Günzburger Kino BiiGZ, im Rathaus wie auch im Forum am Hofgarten. Bis 28. November lädt sie in Leichter Sprache geschrieben unter dem Titel "Erzähl doch mal" die Betrachter ein, in das Leben von Menschen mit Behinderungen "einzutauchen", wie es Landrat Hubert Hafner bei der Vernissage im Forum sagte.
Zwölf von insgesamt 16 Ausstellungstafeln widmen sich Günzburgerinnen und Günzburgern mit Behinderungen. Darunter ist auch der 71-jährige Franz Walter. Er sieht viel jünger aus, als man bei seinem Alter vermuten könnte. "Ich fahre gerne in den Urlaub", erzählt er bei der Vernissage im Gespräch. Und liest man nach, was er alles geleistet hat und welche Hobbies er pflegte, dann merkt man, wie recht Steffen Fritz, der erste Vorsitzende des Werkstattrates bei der Vernissage hat, als er sagte: "So wie Du bist, so bin auch ich." Walter, der heute in Gundelfingen im Haus Emmaus der CAB lebt, arbeitete viele Jahre unter harten Bedingungen in der Landwirtschaft. Er hat sich aber immer seine Freude am Sport bewahrt. Er spielt gern Handball und geht auch gern zum Kegeln. Er ist ein Fan der Schlagermusik wie so viele andere Menschen auch. Wen wundert es, dass er auch ganz gerne das Tanzbein schwingt.
Eine andere Tafel erzählt von Elisabeth Klaiber. Sie ist 1957 geboren und wohnt heute im Haus St. Radegundis in Offingen. Auch wenn ihr Lebensweg aufgrund ihrer geistigen Behinderung anders verlief als bei anderen Menschen, so unterscheidet sie sich keineswegs von anderen Frauen und Männern. Sie habe einen grünen Daumen, steht dort auf der Tafel. Mit Geduld pflege sie ihren 20 Kakteen, die es ihr besonders angetan zu haben scheinen. Auch dass sie gerne auch für andere kocht und so manchen Kuchen backt, führt den Betrachter und Leser vor Augen, dass Menschen mit und ohne Behinderungen bei aller Unterschiedlichkeit wiederum doch nicht so unterschiedlich sind.
Ziel der Ausstellung ist es, in die Lebenswelt von Menschen mit Lernschwierigkeiten und Behinderungen einzutauchen. Dafür zeigte sich Landrat Hafner dankbar. "Wir können aus diesem Perspektivwechsel nur einen Gewinn ziehen und Menschen mit diesen Einschränkungen besser verstehen lernen." Herbert Kratzer, Geschäftsführer der CAB Caritas Augsburg Betriebsträger gGmbH - Behindertenhilfe, dankte den Menschen, die von sich auf den Tafeln erzählen. "So gewinnen wir Einblick in ihr Denken, Fühlen und in ihr Leben." Wo das geschehe, verstehe man einander besser und begegne sich auf Augenhöhe. "Das ist eine entscheidende Voraussetzung für Inklusion", betonte er bei der Vernissage.
Dass die Texte in Leichter Sprache verfasst sind, ist dabei ein wesentlicher Baustein. Die Leichte Sprache ist eine Sprachform, die dank ihrer klaren, unkomplizierten und für jedermann nachvollziehbaren Ausdrucksweise eine Verständnisbrücke schafft zwischen Menschen mit geistigen Behinderungen, Leseschwierigkeiten oder Migrationshintergrund und Menschen ohne Einschränkungen.
Für Landrat Hafner hat die Leichte Sprache und ihre einfache Verständlichkeit grundsätzliche Bedeutung. "alle Menschen sollen sich verständigen könne, was um sie herum passiert. Das ist nicht nur ihr Recht, sondern auch ein Menschenrecht." Verstehbarkeit und daraus folgend auch Verständnis sind für ihn dann auch wichtig für das Gelingen der Inklusion. Nicht umsonst zitierte er wohl den Publizisten Gabriel Michael Triebstein, der einmal sagte: Jeder Mensch wird zur Teilhabe am Leben geboren, und nicht zum Erleiden des Lebens."