Kaisheim, 29.05.2009 (
pca
). Etwa 700 Mann sitzen in der
Justizvollzugsanstalt (JVA) Kaisheim ein. Viele
von ihnen wurden verurteilt, weil sie unter Einfluss von Alkohol und/oder
Drogen oder aus einer Spielsucht eine Straftat begangen hatten. „Es ist also
gut, dass wir hier sind“, sagt Reinhard Herz. Gemeinsam mit seiner Kollegin
Susanne Mayer leistet er im Auftrag der Caritas die Suchtberatung in der JVA
Kaisheim.
Bei rund 36 Prozent der
Inhaftierten in Bayern besteht eine Alkoholproblematik. Etwa drei bis fünf
Prozent haben gestohlen oder betrogen, um ihrer Spielsucht nachgehen zu können.
Andere litten an einer Medikamentenabhängigkeit oder gar an Mischformen von Abhängigkeiten.
In der JVA gilt ein absolutes Suchtmittelverbot. Ein totaler Entzug hilft zwar
den Kopf frei zu bekommen und sich körperlich wieder besser zu fühlen, „damit
sind aber die seelischen Ursachen für die jeweilige Abhängigkeit noch nicht
beseitigt“, so Herz. Ein Zwang, die Beratung zu nutzen, wird aber dennoch nicht
ausgeübt - weder von der Anstaltsleitung noch von der Suchtberatung. Der Wille
des Einzelnen sich zu ändern zählt. Auch hat man genügend Zeit zur Vorbereitung
auf eine Therapie. Zudem sind die Betroffenen ständig erreichbar.
Manche kommen schon wenige Tage
nach ihrem Haftantritt zur Suchtberatung, andere lassen sich ein Jahr Zeit,
manche kommen erst nach zwei bis drei Jahren, andere kommen gar nicht, obwohl
auch sie eine Beratung nötig hätten. Mayer beobachtet bei den Häftlingen, dass
der Entzug
im Gefängnis den
Suchtabhängigen gut tut.
„Sie erfahren,
dass sie sich viel besser fühlen, wenn sie trocken sind.“ Dennoch, so schränkt Herz
ein, kämen manche nur, weil sie an einer vorzeitigen Entlassung interessiert
sind und die Auflage einer Therapie akzeptieren. In der Fachklinik kann dann
eine echte Absicht zur Abstinenz entstehen.
Bis die Therapie angetreten werden
kann, haben in der Regel viele Gespräche stattgefunden. Dabei geht es um die
Beurteilung des sozialen Umfeldes des Häftlings, ob und wie dieser Faktor den
Abstieg in die Sucht gefördert oder bedingt hat. Informationen darüber, was sich
im Körper abspielt, wenn man zuviel und dauerhaft trinkt, Drogen nimmt oder
spielsüchtig wird, werden dankbar aufgegriffen. „Das hilft ihnen, sich selber
besser zu verstehen“, so Herz, „und sie lernen ihr Verhalten als Erkrankung zu
erkennen, die behandelt werden kann.“
Mayer und Herz genießen
unter den Häftlingen ein großes Vertrauen. Denn
die Häftlinge wissen, dass beide der Verschwiegenheitspflicht unterliegen.
Gehänselt oder
gemobbt
wird im Gefängnis niemand, der
zur Beratung geht. „Das haben wir noch nie erlebt“, so Herz und Mayer.
Für die Männer, die „draußen“
niemanden haben, der sie besucht“, sind die beiden Caritas-Mitarbeiter ein „Tor
zur Welt“. „Die Hälfte der Leute, die zu mir in die Beratung kommen, begleite
ich durch die ganze Zeit ihrer Inhaftierung in Kaisheim“, erzählt Herz.
Neben den persönlichen Gesprächen,
die von den Inhaftierten bevorzugt werden, bieten die Suchtberater auch Gruppenarbeit
an und stellen Vertreter von Selbsthilfegruppen vor.
Beide, Mayer und Herz, wollen den
suchtabhängigen Insassen der JVA Kaisheim Mut zur Behandlung machen, ihnen auch
die Tipps und Adressen mitgeben, die ihnen nach ihrer Entlassung hilfreich sein
können, damit sie nicht wieder ihrer früheren Sucht verfallen und nicht erneut
straffällig werden.