Fachtag Autismus der Caritas zeigt Notwendigkeit und Richtigkeit von Unterstützung auf
Es besteht ein gutes Netz von Autismus-Therapieangeboten, auch im Bereich der Psychotherapie. Die Zahlen belegen den Erfolg: Erwachsene Menschen im Autismusspektrum werden gut in den Arbeitsmarkt integriert und eingegliedert. Doch etwas ist falsch an diesen Aussagen: Dieses Netzwerk besteht in Nordrhein-Westfalen. Es gibt diese Angebote für Erwachsene im Autismusspektrum nicht in Schwaben. Dass dies alles andere als gut und tragbar ist, darauf verwies nun der Fachtag des Kompetenzzentrums Autismus in Schwaben - Nord des Augsburger Diözesan-Caritasverbandes. Er stand bewusst unter dem Thema "Unterstützungsmöglichkeiten für Erwachsene im autistischen Spektrum". Fachreferenten zeigten auf, was alles getan werden könnte, um ihnen ein schönes und angenehmes Leben zu ermöglichen. Die Verantwortlichen für die Tagung hatten auch Gäste aus der Politik eingeladen. Doch erschienen ist niemand.
Dr. Christine Preißmann, selbst Autistin mit Asperger-Syndrom, Ärztin mit psychotherapeutischer Praxis, unterstrich in ihrem Vortrag nicht nur warum, Menschen mit Autismusspektrumsstörung auch im Erwachsenenalter Unterstützung bräuchten. Beim Autismus handle es sich um eine tiefgreifen, genetisch bedingte Entwicklungsstörung, die mit dem Erwachsenenalter nicht verschwinde. Sie zeigte auch auf, wie Wissen, Verständnis und schlichtweg die Bereitschaft, auf die individuellen Bedürfnisse eines autistischen Menschen mit seinem auffälligen Kontakt- und Kommunikationsverhaltens einzugehen, dazu beitragen könnte, ihnen Teilhabe zu ermöglichen und ihnen einen Weg zu einem schönen und angenehmen Leben zu eröffnen.
Wenn in der Arbeitsvermittlung völlig falsche berufliche Zielvorgaben gemacht würden - "Du könntest Designerin werden", obwohl die Person keinerlei Fähigkeiten dafür und diese es auch nicht wolle -, dann schade es nur. Dann setze man falsche Lebensziele. Fehlende Motivation, Frust, Enttäuschung, Rückzug seien die logische Folge. Nicht nur in der Gesellschaft müsse das Wissen über die Vielfalt der autistischen Störungen ausgebaut und gestärkt werden, auch in den Unternehmen und Betrieben. Menschen im Autismusspektrum wie ihre Angehörigen sollten sich, so ihre dringende Empfehlung, selbst so viel wie möglich über ihre Eigenschaften informieren und Rat von Freunden und Therapeuten - sofern vorhanden - einholen. "Nur so können die Ängste genommen werden, nur so kann ihr Leben gelingen."
Menschen mit Autismus, so die Ärztin und Psychotherapeutin, seien keine Menschen, die keine Gefühle hätten. "Das gehört in den Bereich der Mythen. Sie haben sogar sehr heftige Gefühle. Aber sie brauchen Hilfe. Und, so Dr. Preißmann, wir können uns Fähigkeiten erwerben, aber wir können es nicht einfach nebenbei."
Christian Frese, Geschäftsführer von Autismus Deutschland e. V., unterstrich den Rechtsanspruch von Menschen im Autismusspektrum. Das Rechtsverständnis sei eindeutig. Behindert sei man nicht wegen einer Störung oder Beeinträchtigung. Behindert sei man, weil in der Gesellschaft Barrieren gegen eine Teilhabe bestehen. Teilhabe sei aber kein Angebot der Mehrheitsgesellschaft, sondern ein Rechtsanspruch von Menschen mit Einschränkungen. Zudem könne Teilhabe nicht begrenzt in Zeit oder auf eine Funktion beschränkt werden. "Der Anspruch auf Teilhabe gilt 24 Stunden lang rund um die Uhr und das ein ganzes Leben lang in allen Lebensbereichen." Im Hinblick auf die Autismustherapie sagte Freese deshalb: "Sie ist nicht nur eine Funktionstherapie."
Wie viel man tun könne, um Menschen im Autismusspektrum, eine Teilhabe zu erleichtern, dem widmeten sich beim Fachtag Workshops und Fachvorträge. Meike Miller trug vor, wie man durch Ergotherapie helfen könne. Menschen mit Autismus zeigten aufgrund ihrer beeinträchtigen Reizverarbeiten ein verändertes Wahrnehmungsverhalten, das zu einem besonderem Verhalten führe. Ihr ständiger sensorischer Stress könne in Akutsituationen zum Zusammenbruch, zum "Shutdown" führen. Daraus entwickele sich der Rückzug aus der Umwelt, Ängstlichkeit, Konzentrationsschwäche und ständige Unruhe. Durch ergotherapeutische Maßnahmen z. B. mit Druckwesten könne man aber Einfluss darauf nehmen.
Dass Menschen mit Autismus mit Redewendungen und Ironie oft nicht viel anfangen können, auch dass sie Aussagen wörtlich nehmen, ist bekannt. Maria Lell unterstrich aber, wie viele Möglichkeiten es gibt, Menschen mit Autismus zu helfen, diese Sprachbarrieren zu überwinden. Ingrid Abele-Sauerwein vom Heilpädagogisch therapeutischen Zentrum des Dominikus-Ringeisen-Werks in Augsburg, stellte das Soziale Kompetenz Training für Menschen mit Autismus vor. Doch auch hier zeigt sich das Handicap, die Behinderung von erwachsenen Menschen im Autismus-Spektrum durch die Gesellschaft. Der Bezirk Schwaben wenigstens finanziert das Training dankenswerter Weise, doch die Altersgrenze liegt bei 27 Jahren. "Warum", fragte sich nicht nur Sonja Jacobs, die Leitung des Kompetenzzentrums Autismus Schwaben-Nord des Caritasverbandes für die Diözese Augsburg e. V.
Wünsche von Erwachsenen im Autismusspektrum:
• Hilfe im Umgang mit Stress
• Hilfe bei der sozialen Interaktion
• Hilfe beim Umgang mit Emotionen
• Hilfe im Hinblick auf Begleiterkranken wie Angst und Depressionen
• Hilfe bei den Anforderungen des Alltags
• Hilfe im Hinblick auf die eigene Identität
• Hilfe bei der Bewältigung zahlreicher Erfahrungen in Kindheit und Jugend durch nicht erkannten Autismus