Das Bürgergeld (Gesetzesänderung des SGB II)
Zum 01.01.2023 ist das Bürgergeld in Kraft getreten. Dadurch sind Änderungen im SGB II, SGB III und auch SGB XII erfolgt. Bereits im Koalitionsvertrag vom Herbst 2021 wurde festgehalten, dass anstelle der bisherigen Grundsicherung (Hartz IV) ein Bürgergeld eingeführt werden soll. "Das Bürgergeld soll die Würde des und der Einzelnen achten, zur gesellschaftlichen Teilhabe befähigen sowie digital und
unkompliziert zugänglich sein" hieß es bereits damals. Im Sommer 2022 lag ein erster Gesetzesentwurf vor, der politisch heiß diskutiert wurde und schließlich nach der Verabschiedung im Bundestag durch den Bundestag doch noch blockiert wurde. Erst durch Nachverhandlungen im von der Bundesregierung angerufenen Vermittlungsausschuss konnte am 25.11.2022 eine Zustimmung von Bundestag und Bundesrat erreicht werden, sodass das Gesetz doch noch wie geplant zum 01.01.2023 in Kraft treten konnte.
Die Bundesregierung verspricht dabei ein neues Miteinander, neue Chancen auf Arbeit, mehr Sicherheit und mehr Respekt für die Lebensleistung, höhere Regelsätze, die Neuregelung der Leistungsminderungen, mehr Bürgerfreundlichkeit und weniger Bürokratie.
Aufgrund der Kürze der Zeit und um die erforderlichen Umstellungen, die das Bürgergeld mit sich bringt, auch verwaltungsmäßig umsetzen zu können, finden einige Regelungen erst ab 01.07.2023 Anwendung.
Seit 01.01.2023 sind folgende Änderungen bereits in Kraft getreten:
- Die Begriffe ALG II, Hartz IV sowie Sozialgeld werden durch den Begriff Bürgergeld abgelöst. Die Formulare der Verwaltung sollen bis 30.06.2023 entsprechend umgestellt werden.
- Erhöhung der Regelbedarfe sowie Verbesserung des Verfahrens zur Fortschreibung der Regelbedarfe
- Abschaffung des Vermittlungsvorrangs
- Erhöhung des Schonvermögens
- Einführung von Karenzzeiten bzgl. Vermögen und Unterkunft
- Änderungen bei der Vermögensfreistellung
- Abschaffung der Pflicht zur frühzeitigen Beantragung einer Altersrente
- Neuregelung der Leistungsminderungen (bisher Sanktionen)
- Abschaffung der Sonderregelung für unter 25-jährige
- Beschränkung der Haftung Minderjähriger auf das Schonvermögen
- Einführung einer Bagatellgrenze
- Teilhabe am sozialen Arbeitsmarkt wird dauerhaft im SGB II verankert
Die bisherigen Änderungen betreffen vorwiegend das Leistungsrecht. Insbesondere die nun neu eingeführte Karenzzeit ist sehr zu begrüßen, da dadurch für das 1. Jahr des Leistungsbezugs ein Vermögen bis zu 40.000 € und 15.000 € für jedes weitere Mitglied der Bedarfsgemeinschaft geschützt ist und ebenso die bisherige Wohnform beibehalten werden kann. Der Gesetzgeber will damit die Lebensleistung honorieren und der Leistungsberechtigte soll sich voll und ganz auf die Arbeitssuche konzentrieren können und sich weder um sein bisher erworbenes Vermögen noch um seine Wohnung Sorgen machen müssen. Während dieser Karenzzeit werden die tatsächlichen Kosten der Unterkunft übernommen, jedoch sind die Heizkosten nur auf den angemessenen Umfang beschränkt.
Damit einhergehend ist auch eine Erweiterung der Vermögensfreistellungen, nach Ablauf der Karenzzeit, erfolgt. Das Schonvermögen wird angehoben auf 15.000 € pro Person der Bedarfsgemeinschaft, unabhängig vom Alter der Person. Weiter bleibt auch ein selbstgenutztes Haus bis 140qm und eine selbstgenutzte Eigentumswohnung bis 130qm unberücksichtigt. Für jedes erwerbsfähige Mitglied der Bedarfsgemeinschaft bleibt ein angemessenes KfZ zudem bei der Berechnung des Vermögens unberücksichtigt.
Die Regelbedarfe wurden erhöht und zusätzlich zur jährlichen Fortschreibung wurde eine ergänzende Fortschreibung eingeführt. Dadurch soll der aktuellen Preisentwicklung bei bedarfsrelevanten Gütern und Dienstleistungen Rechnung getragen werden und steigende Preise sollen so schneller berücksichtigt werden.
Aufgrund des Urteils des BVerfG vom November 2019 womit klargestellt wurde, dass die bisherigen Sanktionen des SGB II nicht verfassungskonform sind, wurde auch dieser Bereich durch das Bürgergeld reformiert. Die bisherigen "Sanktionen" werden nun durch "Leistungsminderungen" abgelöst. Auch inhaltlich ist hier eine Veränderung passiert, indem die Leistungsminderungen nun in 3 Stufen erfolgen (1. Stufe: 10% für 1 Monat, 2. Stufe: 20% für 2 Monate und 3. Stufe: 30% für jeweils 3 Monate). Die maximale Minderung beträgt somit 30% und erfolgt ausschließlich auf den Regelbedarf, nicht auf die Kosten der Unterkunft und Heizung.
Weiter wurde eingefügt, dass die Minderung endet, sobald die Pflicht erfüllt wird oder der Leistungsberechtigte sich nachträglich ernsthaft und nachhaltig zur Pflichterfüllung bereiterklärt.
Zum 01.07.2023 treten folgende weitere Änderungen in Kraft:
- Neuregelung der Erreichbarkeit
- Änderungen beim zu berücksichtigenden Einkommen gem. § 11 SGB II
- Kooperationsplan statt der bisherigen Eingliederungsvereinbarung sowie ein Schlichtungsverfahren bei Nichtzustandekommen
- Weiterentwicklung des Eingliederungsprozesses
- Stärkung der Qualifizierungen (Ausbildung, Umschulung, Weiterbildung)
Die Änderungen hinsichtlich der Erreichbarkeit werden erweitert, sowohl in örtlicher Hinsicht, als auch hinsichtlich der Kommunikationsmöglichkeiten, da die Nutzung moderner Kommunikationsmittel im datenschutzrechtlich möglichen Umfang genutzt werden können. Auch die Liste der Gründe für eine Ortsabwesenheit wurden erweitert um z.B. eine Stärkung des Ehrenamtes zu ermöglichen.
Beim zu berücksichtigenden Einkommen wir nun gesetzlich geregelt, dass einmalige Einnahmen im Monat des Zuflusses zu berücksichtigen sind und nicht mehr, wie bisher auf 6 Monate aufgeteilt werden. Dies gilt jedoch nicht für Nachzahlungen; hier ist weiterhin die Verteilung möglich. Auch die in der Praxis immer zu Schwierigkeiten führende Erbschaft wird nun ausdrücklich dem Vermögen zugerechnet und stellt nicht mehr im Monat des Zuflusses Einkommen dar. Weitere Änderungen sind die Angleichung von nebenberuflicher Tätigkeit und Ehrenamt an das Steuerrecht, sodass hier ein Freibetrag von 3.000 € pro Kalenderjahr gilt. Mutterschaftsgeld wird gänzlich anrechnungsfrei werden und auch Ferienjobs von Schüler*innen sind nicht mehr als Einkommen zu werten. Der Gesetzgeber will hier durch verschiedene Maßnahmen den Anreiz für eine Beschäftigung bzw. deren Ausweitung schaffen.
Im zweiten Schritt dieser Reform treten auch viele Änderungen bei der Vermittlung in Arbeit und die vom Gesetzgeber ausdrücklich geforderte Unterstützung bei Qualifizierungen wie Ausbildung, Umschulung und Weiterbildung in Kraft.
Dafür wurde der Eingliederungsprozess weiterentwickelt und die bisherige Eingliederungsvereinbarung wird ab 1. Juli 2023 durch einen Kooperationsplan abgelöst werden. Dieser soll gemeinsam vom Leistungsberechtigten und den Integrationsfachkräften des Jobcenters auf Augenhöhe erarbeitet werden. Ziel ist es eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zu schaffen und im Einzelfall eine Art Fahrplan zu entwickeln. Es erfolgt eine Potenzialanalyse und darauf aufbauend werden dann die wesentlichen Schritte und das Eingliederungsziel festgelegt. Kommt ein Kooperationsplan nicht zustande, so kann ein Schlichtungsverfahren durchgeführt werden. Eine unbeteiligte, nicht weisungsgebundene Person soll einen gemeinsamen und verbindlichen Lösungsvorschlag entwickeln. Kommt dabei wieder keine Einigung zustande, so endet das Schlichtungsverfahren nach 4 Wochen automatisch.
Durch einen Bürgergeldbonus, Weiterbildungsprämien, Weiterbildungsgeld und eine ganzheitliche Betreuung soll zudem die Teilnahme an Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen gefördert werden und Anreize hierfür geschaffen werden.
Die konkrete Umsetzung all dieser vom Gesetzgeber zum 01.07.2023 vorgesehenen Maßnahmen ist noch nicht bekannt.
Dieser kurze Abriss will einen ersten Überblick über die neuen Regelungen zum Bürgergeld geben, erhebt jedoch nicht den Anspruch auf Vollständigkeit. Weitere Informationen finden Sie unter dem Link BMAS - Übersicht Bürgergeld