Das Thema brennt den Schuldnerberatern auf den Nägeln, auch weil die Kapazitäten nicht ausreichen, die Hilfesuchenden angemessen zu betreuen, wie Tagungsleiterin Regina Hinterleuthner, Sprecherin der Schuldnerberatungsstellen der Caritas in ganz Bayern, herausstellte. Der Grund: Die Finanzierung ist unzureichend. Über zehn Jahre wurde die Förderung nicht angepasst. In Bayern gibt es etwa 130 Beratungsstellen, die von den Kommunen, der Diakonie, der Arbeiterwohlfahrt, des Roten Kreuzes und selbstverständlich auch von der Caritas getragen werden.
Überschuldung, die scheinbare finanzielle Aussichtslosigkeit, ist unsichtbar, weil schambehaftet, sagte der Regensburger Soziologe und Armutsforscher Prof. Dr. Wolfram Backert bei der Tagung. "Keiner stellt sich hin und sagt, ich bin völlig verschuldet", ergänzte Hinterleuthner. Prof. Backert wie auch Hinterleuthner wehrt sich gleichzeitig gegen Behauptungen, wonach diese Menschen an ihrer Situation selbst schuld seien.
"Wir stecken hier in der Falle der Statistik", so Hinterleuthner. Dort könne man als Grund für die Überschuldung nur die Rubrik "unwirtschaftliches Verhalten" anstreichen. Ergänzende Bemerkungen würden wegen des enormen Zeitdrucks de facto wegfallen, weil es zu wenige Berater für die wachsende Fallzahl gibt. "Die Rubrik ‚Unwirtschaftliches Verhalten‘ wird deshalb viel zu schnell angekreuzt", so Hinterleuthner. Das Urteil nach der Auswertung dieser verkürzten statistischen Datenerfassung falle dann sehr schnell, so die Caritas-Schuldnerberaterin Hinterleuthner. "‘Selbst schuld‘, lautet dann das Urteil."
Sie rät wie übrigens auch Prof. Backert, die Fälle genauer anzuschauen. Wie sahen die Lebensumstände aus? Hat möglicher Weise eine Scheidung oder eine schwerere körperliche oder psychische Erkrankung dazu geführt? Wie sieht die Arbeitssituation aus, wie ist das Familienleben? All das könne zu einer Überschuldung beitragen.
Hinterleuthner will damit nicht eine Eigenverantwortung in Abrede stellen. "Aber wir brauchen differenziertere Kriterien, die der Wirklichkeit unserer Klienten entspricht." In die Schuldnerberatung kämen nämlich nicht nur Menschen, die nicht wüssten, mit Geld umzugehen. "Zu uns in die Beratung kommen Zahnärzte genauso wie Hartz-IV-Empfänger, die Arbeit haben genauso wie jene, die arbeitslos sind."
Der Unterschied liege nur darin, dass die, die einen gut bezahlten Beruf ausüben, eher in der Lage sind, ihre Verschuldungssituation zu überwinden, als jene mit einer schlechten Bezahlung. "Hier wird die Überschuldung sofort zur Krise", so Hinterleuthner. Die Folgen sind dramatisch. Überschuldete Personen und ihre Familien können nur begrenzt am normalen wirtschaftlichen und sozialen Leben teilnehmen. "Überschuldung bedeutet immer Armut und soziale Ausgrenzung", unterstreicht Hinterleuthner.
Diese ohnehin schwierige Situation werde noch zusätzlich durch Inkasso-Unternehmen verschärft. Deren Zahl wachse in letzter Zeit. Grund dafür ist, dass Firmen, wenn sie eigenen Forderungen eintreiben, keine Kosten dem Schuldner dafür verrechnen dürfen. Deshalb gründen seit einiger Zeit immer mehr Unternehmen eigene Inkasso-Firmen. Deren Verhalten kritisierten die Schuldnerberater aus Bayern als "zweifelhaft". Aktuell sind Fälle bekannt, bei denen eine Hauptforderung für eine nichtbezahlte Rechnung in Höhe von lediglich 10 Euro zu einer Inkasso-Forderung in Höhe von über 400 Euro für Kosten und Gebühren führen. Dadurch werden die Überschuldungskreisläufe noch zusätzlich befeuert. "Inkasso-Unternehmen gehören zur Schuldnerberatung wie Steckmücken zum Sommer", klagten manche Berater. Gegen deren unfaire Praktiken und Abkassiermodell geht inzwischen der Arbeitskreis Inkassowatch vor, wie der Schuldnerberater beim Landkreis Main-Spessart- Christian Maltry bei der Schuldnertagung erläuterte.