Aichach, 2.01.2012 (
pca
). Über Geld spricht man nicht, erst recht nicht über
Schulden. Und wer überschuldet ist, spricht nicht mal mit seinen engsten
Angehörigen darüber. „Er hat Angst, denn wer in unserer Gesellschaft
wirtschaftlich und finanziell am Boden ist, der wird so niedrig eingeschätzt und
ausgeschlossen wie einer hoch geschätzt und umgarnt wird, der erfolgreich ist.“
So Manfred
Reisinger
. Er spricht aus langjähriger
Erfahrung. Seit 1996 war er
als
Schuldnerberater für die Caritas im Landkreis Aichach-Friedberg tätig. Nun hat
er die passive Phase seiner Altersteilzeit angetreten. Die Nachfolge steht auch
schon fest. Sybille Stengelin hat
Reisingers
Aufgabe
übernommen.
Rund 2.000 Klienten hat der
langjährige Schuldnerberater seit 1996 beraten und begleitet. Manche brauchten
oder suchten nur zwei oder drei Mal das Gespräch. Andere hat er über Jahre
hinweg begleitet. Würde man alle Anfragen dazu rechnen, würde sich die Zahl der
Klienten deutlich erhöhen. Allein in 2011 hat er 50 Insolvenzfälle bearbeitet. „Schuldnerberatung
war für mich eine sehr spannende, interessante und intensive Erfahrung“, blickt
Reisinger
zurück und räumt mit einem Vorurteil sofort
auf. Schuldnerberatung habe sehr wohl mit Geldfragen zu tun, „aber ganz selten
ging es um Schulden allein“.
Arbeitslosigkeit und Scheidung sind
häufige „Auslöser“ für Überschuldungen. Finanzielle Schwierigkeiten belasten
aber auch ihrerseits selbst und führen nicht selten zu familiären Spannungen
oder Krankheiten mit all ihren persönlichen Tragödien. „Wer in unserer Arbeit
nach einer gewissen Zeit glaubt, dass es keine neuen Facetten in den
Beratungssituationen mehr gebe, die einen als Mensch betroffen machen, der
irrt“, so
Reisinger
.
Bewegt erzählt er davon, wie
verzweifelt Klienten waren. Selbstzweifel und Angst beherrschten sie. „Wer
finanziell scheitert, meint auch als Mensch gescheitert zu sein.“
Reisinger
erklärt diese Verzweiflung damit, dass man bei Überschuldung
schnell auch gesellschaftlich ausgegrenzt werde, aber sich auch selbst ausgrenze,
weil man sich verstecken möchte und sich schämt. „Oft war ich der erste, dem
der Klient über seine Verschuldungssituation erzählte. Da war kein Licht im
Tunnel, gar nichts“, erzählt er. „Da geht’s ans Eingemachte.“
Moralische Vorwürfe waren und sind
Reisinger
fremd. „Klienten waren oft überrascht, dass ich
nach ihren ersten Erzählungen zunächst danach fragte, was denn bei ihnen gut gelaufen
sei.“ Im gemeinsamen Gespräch wurden dann die Ressourcen, die eigenen
Kraftquellen, wieder herausgearbeitet. „Und daraus entwickelten wir den
Leitfaden, wie der Klient aus seinen finanziellen, aber auch persönlichen
Problemen wieder sich selbst herausführen konnte.“ Es galt, aus der verfahrenen
Situation eine Perspektive zu entwickeln.
Reisingers
Wertschätzung für seine Klienten
beeindruckte Lydia Wanner, die die Verwaltungsarbeit für die Schuldnerberatung
in Aichach leistet. „Er war einfach ein sehr guter Berater, der mit sehr viel
Feingefühl auf die Menschen eingegangen ist.“
Reisingers
Nachfolgerin Stengelin sieht sich diesem Beispiel verpflichtet.
Andreas Reimann, der
Geschäftsführer des Caritasverbandes im Landkreis Aichach-Friedberg darauf, ist
sich mit Stengelin sicher, „dass die Klienten auch weiterhin bei unserer
Schuldnerberatung gut aufgehoben sind.“ Der Anspruch ist hoch, „denn Herr
Reisinger
war ein Garant für unser gutes Ansehen unserer
Caritas.“ Freilich, und das erwähnt Reimann dankbar, ohne die öffentliche Hand
wäre die Schuldnerberatung nicht möglich. Der Landkreis finanziert diesen
Dienst nämlich bereits seit 1994 mit.