Augsburg,
15.01.2014 (
pca
). Über zwei Monate stellten
Flüchtlinge ihre Bilder und Skulpturen im
Annahof
in Augsburg aus. Sie wollten auf die
einheimische Bevölkerung zugehen, etwas von sich erzählen, auch darüber wie es
ihnen als Fremde in Augsburg geht. Doch die Resonanz war nicht sonderlich
groß.
Obwohl öffentlich für die
Finissage
im Januar geworben wurde, die regionale Zeitung
sogar zwei Mal darauf hinwies, kamen nicht viele Gäste. Die nicht kamen, haben
auf jeden Fall eine besondere Chance verpasst.
Der
israelische Künstler
Roi
Kfir
hatte gemeinsam mit dem Hilfsnetzwerk für besonders schutzbedürftige
Flüchtlinge (HIFF) ein Kunstprojekt gestartet. Traumatisierte Flüchtlinge
sollten die Chance erhalten, gemeinsam darüber sprechen und nachdenken zu
können, wie es ihnen geht, was sie durchgemacht haben, was sie zur Flucht
letztlich veranlasst hatte und wie es ihnen heute in der gesellschaftlichen
Gesellschaft ergeht.
Das sollten sie
auch durch Malen und Gestalten zum Ausdruck bringen.
„Das
Projekt sollte auch den Flüchtlingen helfen, nicht nur auf ihre Vergangenheit
zu schauen, sondern sie sollten auch aus sich herausgehen und ihren Blick für
eine neue Zukunft öffnen“, ergänzt Werner Neumann. Er leitet als
Caritas-Mitarbeiter das Hilfsnetzwerk HIFF.
Kfir
ist ein Künstler, der man nicht so
schnell in eine Schublade stecken kann. Er ist auf Neues aus. Entdecken könne
man dies, so seine Überzeugung, durch die Kunst, die die Menschen auf einen Weg
zueinander führen soll. „Wir wissen aus den Medien alles über alle Länder
dieser Welt, über alle ihre Probleme“, sagte er bei der
Finissage
,
„aber letztlich wissen wir nichts.“
Er
meinte nichts darüber, was die Menschen erlitten haben, wie sie fühlen und was
sie erleben, wenn sie in Augsburgs Straßen unterwegs sind. Ein großes Bild mit
etwa einem Meter Breite und zwei Meter Höhe zeigt in bunten Farben einen
Menschen, der hinauszurufen scheint: „
Stop
the
Fight.“ An sich verständlich und für jedermann
nachvollziehbar. Doch erst im persönlichen Gespräch wurde deutlich, dass dieser
Ausruf ein Aufschrei aus einem tief verletzten Herzen ist.
Es
ist der 34-jährige
Alusine
Fengai
Kamanda
aus Sierra Leone,
der
bei der
Finissage
sein Herz zum Sprechen
brachte. Mit 14 musste er gefesselt miterleben, wie seine Zwillingsschwester
vor seinen Augen von mehreren Rebellen brutal vergewaltigt und dann erschossen
wurde. Weil er sich wehrte, fügte man ihm am Kopf Schnittwunden zu. Er floh in
sein Heimatdorf.
Doch
auch dort fand er keinen Frieden. Er wollte sich nicht den strengen
Stammesriten unterwerfen. Als Kleinkind hatte man ihm bereits den kleinen
Finger der rechten Hand gekürzt. Seine Brüder erlagen ihren Folgeerkrankungen
nach unmenschlichen Initiationsriten. „Ich wollte mich nicht unterwerfen, ich
wollte das auch nicht für meine Kinder. Ich wollte frei sein“, sagt er. Doch
das konnte er dort nicht sein. Nur durch die Flucht konnte er sich vor dem
sicheren Tod retten. Seine schlimmen Erlebnisse plagen ihn noch heute. „Ich
kann ohne Medikamente nicht schlafen. Ich bin auf der Flucht vor meinen
Albträumen.“
Umso
mehr leidet er darunter, wenn so viele Menschen auch in Augsburg auf Distanz zu
ihm gehen, und das schon, wenn er nur einen Platz in der Straßenbahn
sucht.
„Wir sind doch nicht kriminell,
nur weil wir farbig sind“, klagt er. Das Kunstprojekt von HIFF, so hofft er,
sollte für ihn wie alle anderen Teilnehmer eine Chance sein, ihn und seine
Empfindungen verstehen zu lernen. Wenigstens ein paar haben sie genutzt.
Info:
HIFF
wird getragen vom Caritasverband für die Diözese Augsburg e.V., von der
Diakonie Augsburg,
Refugi
o
München und der
Regierung von Schwaben. Finanziert wird das Projekt aus Eigenmitteln der Wohlfahrtsverbände
und durch Fördermittel aus dem Europäischen Flüchtlingsfonds und des
Bayerischen Sozialministeriums.