Augsburg, 28.07.2006
(
pca
)
. Er ist Deutschlands Nationaltorwart, war bereits
vor vier Jahren bei der Weltmeisterschaft in Japan dabei, trainiert regelmäßig,
nimmt an Trainingslagern teil, wird Deutschland auf der internationalen
Fußballbühne im Nationaltrikot vertreten und gibt sein Bestes, damit seine
Mannschaft so weit wie möglich kommt. Und doch kennt ihn kaum einer, die Medien
haben ihn nicht in den Blick genommen. Der Unterschied zu Jens Lehmann und
Oliver Kahn und damit der krasse Unterschied im Medienrummel
liegt
darin, dass er Deutschland „nur“ bei der INAS-FID Weltmeisterschaft der
Menschen mit Behinderung ab dem 29. August 2006 vertritt.
Genau das wurmt diesen anderen
Nationaltorwart Deutschlands. Seine Erfahrungen schwanken zwischen „Das finde
ich echt stark“, was ihm von Angesicht zu Angesicht gesagt wird, und der
Ungewissheit, was hinter seinem Rücken geredet wird. „Doch dazu stehe ich, ich
liebe den Fußball und freue mich riesig bei der Fußball-WM dabei sein zu
können.“ Seine Liebe zum Fußball stärkt sein Selbstvertrauen, so dass er sich
ganz bewusst der Öffentlichkeit stellt. Es ist der 22-jährige Jens Kloß aus
Neusäß
bei Augsburg, der in den
Ulrichswerkstätten
Augsburg (für Menschen mit den unterschiedlichsten Behinderungen) seit vier
Jahren arbeitet und als Metallarbeiter sein Geld verdient, von dem kaum einer
weiß, was er für Deutschland und den Behindertensport leistet.
Seine Karriere verdankt er seinem Können, seinen Leistungen und seinem
ausgeprägten Pflichtbewusstsein. Vor vier Jahren war er dem Nationaltrainer
Willi Breuer aus Köln bei den Testspielen so stark aufgefallen, dass er Jens
Kloß als Nationaltorwart noch drei Wochen vor der WM in Japan nachnominierte.
In der Vorrunde hielt er gegen Südkorea sein Tor sauber. So gewann damals seine
Mannschaft mit 7:0. Breuer hatte übrigens den Profi-Stürmer Lukas
Podolski
als dessen Jugendtrainer entdeckt.
Die Weltmeisterschaftsspiele der INAS-FID für Menschen mit Behinderung
finden in den gleichen Ländern statt, wo bereits die Profis um den WM-Titel
rangen. Verantwortlich für die Organisation sind der Deutsche
Behindertensportverband (DBS), der Behindertensportverband Nordrhein-Westfalen,
die Bundesvereinigung Lebenshilfe und der Landesverband Nordrhein-Westfalen,
die zur Durchführung der Fußball-WM ohne FIFA-Zusatz eigens eine gemeinnützige
GmbH gegründet haben. Die FIFA unterstützt auf ihre Weise die Organisatoren.
Sie hat ihr geschütztes Logo „WM 2006“ für sie freigegeben.
Die Spieldauer ist wie bei den Profis: zweimal 45 Minuten auf einem
Bundesliga-Fußballfeld. 16 Mannschaften werden in insgesamt 48 Spielen in
Bundesliga-Stadien in Nordrhein-Westfalen, aber auch in München um den Titel
kämpfen. Nach der Vorrunde folgt im
k.o.-System
die
harte Auswahl der besten Mannschaft.
Kloß hat einen Traum, er will im Endspiel dabei sein,
verfällt aber nicht in Euphorie. „Erst will ich, dass wir das Eröffnungsspiel
am 29. August in Duisburg gewinnen, dann müssen wir die Hinrunde schaffen und
uns dann Schritt für Schritt nach vorne kämpfen“. Respekt hat er vor den
Gegnern. „Das sind schwere Brocken“. Sie kommen aus Japan, Nordirland,
Russland, England, Mexiko, Ungarn, Südkorea, Südafrika, Brasilien, Portugal,
Frankreich, Australien, Polen, Saudi-Arabien und den Niederlanden. Das Eröffnungsspiel
am
Deinstag
, 29. August 2006, ab 12.15 Uhr wird vom
WDR live übertragen. Die UWA hat deshalb schon eine Großleinwand bestellt. „Da
sind wir mit unserem Herzen voll dabei“, so Herbert Dormayr, der
Geschäftsführer der CAB Caritas Augsburg Betriebsträgerschaft
gGmbH
, der die
Ulrichswerkstätten
leitet.
Jens Kloß, der sich wie bei
Lehmann und Kahn noch im Wettstreit um die Nr. 1 im Nationalteam sieht, ist ein
festes Glied des 23 Mann starken Fußball-Kaders. In Augsburg wird er von
Christian Küster trainiert, dem Sportübungsleiter und Bewegungstherapeut in der
Augsburger Hauptwerkstätte der
Ulrichswerkstätten
am
Hanreiweg
. Kloß trainiert aber auch mehrmals in der Woche
mit Freunden und für sich allein, um seine Ballsicherheit noch mehr zu
verbessern. Er hat bereits in diesem Jahr an Trainingslagern auf Mallorca, in
Holland und in der Sportschule
Duisburg-Wedau
teilgenommen. Dorthin ist er heute am Freitag in aller Frühe aufgebrochen.
“Meinen Urlaub werde ich erst nach der WM nehmen“.
Seit seinem achten Lebensjahr
lebt Kloß für den Fußball, fast kein Spiel versäumt er im Fernsehen. Er ist
stolz, dass er der Fußball-Nationalmannschaft angehört, aber es wurmt ihn, dass
die Grenze zwischen dem Deutschen Behindertensport (DBS) und dem DFB für
ihn wohl immer bestehen bleibt. Sein Augsburger Trainer Küster versteht ihn,
ermutigt ihn zu dem zu stehen, was er ist und schon erreicht hat. Küster
wünscht sich von der Öffentlichkeit einen offeneren Blick für die ganze
Bandbreite von
Behindertsein
, die eben von Lernbehinderungen
wie bei Jens Kloß bis zu schwersten körperlichen und geistigen Behinderungen
reichen kann. „Außerdem zählt nur eines: alle sind Menschen und haben deshalb
den gleichen Wert.“ Und wenn auch die Mannschaft in Duisburg nicht unter dem
Namen DFB ins Stadion einlaufe, „so unterstützt die DFB ganz stark diese
Fußball-WM ohne FIFA-Zusatz“. Und noch einen Unterschied gibt es: Kloß spielt
rein ehrenamtlich, nur die Kosten für die Unterkunft, die Trainingslager und
die Anreise werden übernommen.