Fachdialog mit Roland Rosenow: Caritas Augsburg warnt vor Aushöhlung des Bundesteilhabegesetzes
Augsburg, 01.08.2025 (pca). Der Caritasverband für die Diözese Augsburg e. V. sieht mit großer Sorge, dass zentrale Fortschritte der Politik für Menschen mit Behinderung zurückgedreht werden. Das Bundesteilhabegesetz (BTHG) sollte einst ein Meilenstein sein - für mehr Selbstbestimmung, Wahlfreiheit und echte Teilhabe von Menschen mit Behinderungen. Doch fünf Jahre nach Inkrafttreten der dritten Reformstufe zeigt sich: Die Umsetzung kommt vielerorts nicht voran. Fachleute befürchten nun, dass wegen der aktuellen Finanznot wieder versucht werden könnte, das gesetzlich vorgeschriebene Leistungsangebot wieder einzuschränken. Diese Befürchtung stand im Mittelpunkt eines Caritas-Fachdialogs mit dem bekannten Sozialrecht-Referenten Roland Rosenow in Augsburg.
"Wer am Bundesteilhabegesetz rüttelt, nimmt Teilhabe wieder zurück"
Diözesan-Caritasdirektor Diakon Markus Müller äußerte sich klar: "Das Bundesteilhabegesetz ist ein Meilenstein - aber es wackelt. Wer jetzt an die Möglichkeit denkt, es zurückzunehmen, bevor es überhaupt spürbar umgesetzt ist, nimmt Teilhabe wieder zurück. Wir stehen an der Seite der Menschen mit Behinderung. Wir dürfen uns nicht zurück in alte Denkmuster drängen lassen. Was wir brauchen, ist Mut zum echten Wandel - gemeinsam mit den Menschen, um die es geht."
"Rückkehr zu alten Paradigmen darf keine Option sein"
Sozialrechtsexperte Rosenow unterstrich, "dass jedes vollkommen fremdbestimmte Leben durch Institutionen - wie früher bei Menschen mit Behinderungen - nicht nur überholt, sondern grundrechtswidrig ist". Die politische Diskussion gehe derzeit in eine gefährliche Richtung: Forderungen nach Belegungsrechten Vertragsrecht oder einer Rückkehr zur pauschalen Bedarfsdeckung seien nichts Anderes als Chiffren für alte Strukturen. "Die Rede von den ‚begrenzten Ressourcen‘ verstellt den Blick darauf, dass wir über Verteilungsfragen sprechen", mahnte Rosenow. "Wir leben doch in einem der reichsten Länder unserer Erde." Es sei eine politische Entscheidung, ob Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt teilhaben könnten - oder nicht.
Inklusive Praxis zeigt: Es geht anders
Der Caritasverband positioniert sich klar gegen jegliche Rückschritte und fordert ein sichtbares politisches Bekenntnis zur vollständigen Umsetzung des BTHG. Dabei geht der Caritasverband mit Eigeninitiative voran. Die Veranstaltung unter Titel "Zwischen Tradition und Aufbruch - Die Rolle von Wohlfahrtsverbänden und Leistungserbringern zur Weiterentwicklung der Eingliederungshilfe" war nicht nur inhaltlich ein starkes Signal, sondern auch in ihrer Gestaltung. Kathrin Schulan, Fachreferentin Behindertenhilfe beim Caritasverband: "Unsere Veranstaltung war gelebte Teilhabe. Und sie hat gezeigt: Lösungen entstehen nur gemeinsam - in echter Kooperation und gegenseitigem Respekt". Deswegen war der Fachtag bewusst barrierearm und inklusiv: Menschen mit Behinderungen, Jurist*innen, Leistungserbringer und Vertreter der Wohlfahrtsverbände diskutierten miteinander - auf Augenhöhe.
Forderung: Reform nicht aushöhlen, sondern endlich umsetzen
Die Caritas Augsburg fordert die politisch Verantwortlichen auf, die versprochene Transformation der Eingliederungshilfe nicht abzubrechen, sondern in Gegenteil endlich konsequent umzusetzen.