Kaufbeuren/Marktoberdorf/Augsburg, 01.08.2006 ( pca ) . Ihre neue Aufgabe macht ihr sichtlich Spaß, sie fühlt sich wohl und freut sich, „dass sie durch ihre Beratung Migranten eine Zukunft in Deutschland schaffen kann“. Tatyana Holbe (29) ist seit rund sechs Monaten mit einer halben Stelle in Kaufbeuren eine der ersten AnsprechpartnerInnen für Migranten in und um Kaufbeuren. Ihre Erfahrungen: „Es sind ganz herzliche Menschen. Wenn sie merken, dass man sie mag und akzeptiert, dann entsteht viel Vertrauen.“ Dank Holbe ist die Migrationserstberatungsstelle (MEB) der Caritas in der Kaufbeurer Apfeltranger Straße 154 bei der Fliegerhorstsiedlung inzwischen ein geschätzter Anlaufpunkt für alle Migranten geworden. Damit zählt Holbe auch zum „ Migrationsteam Kempten“ des Caritasverbandes für die Diözese Augsburg, dessen Migrationsreferat konsequent daran arbeitet, den gesamten Allgäuer Bereich bis Lindau mit der MEB abzudecken.
Holbe bringt viele Voraussetzungen für ihre Aufgaben mit. Sie hat einerseits Sozialpädagogik an der Katholischen Stiftungshochschule in Benediktbeuren studiert. Andererseits kennt sie das Fremdsein, die Migration aus eigener Erfahrung. Ihr Vater hatte als Entwicklungshelfer gearbeitet. Dabei lernte er auch seine Frau, eine Peruanerin, die spätere Mutter der Caritas-Mitarbeiterin kennen. „Daher auch das ‚y’ in meinem Vornamen“, so Holbe . Durch die vielen Versetzungen ihres Vaters war sie im Alter von drei bis 15 Jahren ständig im Ausland, so im früheren Burma, aber auch in Portugal und Spanien.
Ihre praktischen Erfahrungen in der sozialen Arbeit machte sie u.a . von 2002 bis 2004 als Streetworkerin im Rahmen eines Projektes der „aufsuchenden Jugendsozialarbeit zur Integration junger Aussiedler“, dann beim Drogenkontaktladen „Talk Inn“ in Kempten. Ihre zweite halbe Stelle hat sie deshalb nicht ohne Grund bei der Suchtberatung der Caritas in Kaufbeuren angetreten. „Die Erfahrungen, aber auch das dabei gewachsene Netzwerk hat mir bei meiner Aufbauarbeit der Migrationsberatungsstelle in Kaufbeuren sehr geholfen“, so Holbe .
Der Schwerpunkt ihrer Arbeit als Migrationsberaterin liegt bei den Aussiedlern. Sie bilden mit rund 5.500 Menschen in und um Kaufbeuren den Großteil der insgesamt etwa 8.500 Menschen mit Migrationshintergrund . Die Aussiedler kommen hauptsächlich aus Kasachstan und Russland. 80 Prozent davon sind nichtdeutsche Familienangehörige. Alle, die zu ihr in die Beratung kommen, würden sich als „sehr integrationswillig“ beweisen und wollen ihr Leben in der neuen Heimat sehr schnell in den Griff bekommen. Die Hauptprobleme sind bei den Aussiedlern die Anerkennung ihrer Ausbildung, die Arbeits- und Wohnungssuche sowie die Behördenangelegenheiten . Als sehr positiv wertet Holbe die Zusammenarbeit mit den Behörden, aber auch mit den Sprachkursträgern wie der Volkshochschule, dem Sprachcenter und Kolping. Bei diesen Kursen knüpft sie oftmals ihre ersten Kontakte zu den Migranten .
Holbes Motto für ihre Beratungsgespräche: „Es geht nicht darum, sie an die Hand zu nehmen, sondern darum, ihnen etwas in die Hand zu geben, damit sie ihren Weg selbständig gehen können.“ Allerdings gesteht sie ein, dass sie so manchem erst den Zahn ziehen musste, weil er glaubte, dass die Beratungsstelle alles für sie erledige. Für die Gespräche nimmt sie sich viel Zeit und sieht genau darin den Vorteil ihrer Arbeit gegenüber dem Zeitdruck in den Behörden. „Die Aussiedler sprechen gar nicht so schlecht deutsch, man muss nur Geduld mitbringen.“ Dann hätten sie auch keine Hemmungen, die ihnen noch nicht so geläufige deutsche Sprache zu nutzen. Klare Absprachen mit einer eindeutigen Aufgabenliste, das sind die Ziele für ihre Beratungsgespräche.
Freilich gibt es unter den Aussiedlern auch Alkoholprobleme, letztlich nur wenige. Bei manchem Aussiedler erfülle sich nun einmal nicht sofort der Traum der vermeintlich heilen reichen Welt in Deutschland. Wenn es um Angelegenheiten ihrer Familien geht, kommen immer die Frauen als erste in ihre Beratungsstunde. Männer fielen viel schneller in eine Sinnkrise, wenn sie nicht mehr arbeiten können bzw. noch nicht dürfen.